Histaminunverträglichkeiten?

Die Histaminunverträglichkeit ist charakterisiert durch eine übermäßige Konzentration an Histamin im Körper, in dessen Folge verschiedenste Symptome und Beschwerdebilder auftreten können.

Bei einer Unverträglichkeit gegenüber Histamin muss es sich nicht zwangsläufig um eine Histaminintoleranz handeln. Mittlerweile werden mehrere Störungsbilder im Histaminstoffwechsel postuliert, die verschiedene Ursachen haben. Einige der Ursachen sind gut verstanden, andere weniger. Die Symptomatik ist dabei mehr oder weniger gleich.

Formen und Ursachen

Auf der wissenschaftlichen Informationsseite der Schweizerischen Interessensgemeinschaft Histamin-Intoleranz wird eine Einteilung der Histaminunverträglichkeiten vorgeschlagen, die verschiedene Ursachen und Mechanismen berücksichtigt. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden verschiedene Begriffe wie Histaminose und Histaminintoleranz oder Histaminunverträglichkeit oft synonym verwendet. Die Histaminose jedoch bezeichnet in der Medizin am ehesten eine Zustandsänderung – hier das Histamin betreffend. Somit kann jede Form einer übermäßigen Histaminkonzentration im Körper, die mit Symptomen einhergeht, als Histaminose beschrieben werden. Der Begriff sagt dann erst einmal nichts über die Ursachen aus.

Histamin_Faktoren

Störungen im Histaminabbau (Histaminintoleranz)

Die Histaminintoleranz geht auf verschiedene Abbaustörungen im Histaminstoffwechsel zurück. Hier können mehrere Enzyme betroffen sein.

Es kann ein Mangel oder eine Funktionseinschränkung der Diaminoxidase (DAO) vorliegen. Das Enzym baut bereits im Dünndarm mit der Nahrung aufgenommenes Histamin ab. Hierfür werden Kupfer, Vitamin C und Vitamin B6 benötigt. Die Kapazität zur DAO-Bildung im Menschen ist limitiert. Die größten Mengen werden in Dünndarm und Kolon freigesetzt, gefolgt von Plazenta und Nieren [Sch 1998].

Die Bildung und Wirkung der DAO kann also durch eine Schädigung der Darmzellen bei gastrointestinalen Erkrankungen [Sch 1990]; [Rai 1999]; bei genetischen Defekten, beim Vorhandensein von hemmenden Substanzen im Darm oder bei einem Mangel an Cofaktoren beeinträchtigt sein. Diese Störung kommt unter den enzymatisch bedingten Intoleranzen am häufigsten vor.

Auch ist ein gestörter Abbau durch einen Mangel am Enzym Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) denkbar, das in der Zelle befindliches Histamin abbaut. Ursachen können ein Gendefekt oder chemische Hemmstoffe (vor allem Medikamente) sein.

Auch die Monoaminoxidase B (MAO) kann funktionell beeinträchtigt sein. Dies kann durch chemische Reize ausgelöst werden. Häufig sind die zugrunde liegenden Mechanismen jedoch noch unklar.

Störungen im Histaminabbau machen sich in erster Linie bemerkbar, wenn zu viel Histamin aus dem Darm aufgenommen wird. Als Ursachen hierfür kommen

  • histaminreiche und verdorbene Nahrungsmittel
  • Darmerkrankungen, bei denen die Darmflora und/oder die Darmschleimhaut nicht intakt sind (Dünndarmfehlbesiedlung, „löchriger Darm“, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie, Reizdarmsyndrom etc.)
  • Eiweißverdauungsstörungen (exokrine Pankreasinsuffizienz, Störungen im Aminosäurestoffwechsel etc.)
  • eine gesteigerte Histaminbildung
  • Hemmstoffe der DAO (Medikamente, chemische Reize etc.)
  • genetische Faktoren und Umwelteinflüsse, die die Bildung von Histamin aus Histidin erhöhen (genetische Polymorphismen; Tenside in der Umwelt oder bakterielle Infekte)


in Betracht.

Störungen der Histaminfreisetzung (z.B. Mastozytose)

Eine weitere Krankheitsgruppe ist nicht auf einen gestörten Abbau von Histamin, sondern auf eine gestörte Freisetzung zurückzuführen. Das erklärt, warum bei Patienten zwar die typischen Symptome einer Intoleranz auftreten, nicht aber deren Ursachen zutreffend sind. Und es könnte leider auch einer der Gründe sein, warum Betroffene so häufig Eigendiagnosen gestellt haben und oftmals belächelt oder nicht ernst genommen wurden.

Störungen der Histaminfreisetzung gehen auf verschiedene Ursachen zurück. Mastzellen sind Zellen des Immun­systems und können durch erworbene oder ange­borene geneti­sche Mutationen verändert sein. Diese Veränderungen treten auch sekundär infolge ähnlicher Erkrankungen auf (z. B. Allergien, Kreuzreaktionen). In der Folge treten Mastzellen in Organen gehäuft auf und schütten zu viel Histamin sowie andere Botenstoffe aus, was zur typischen Symptomatik führt.

Eine schon länger bekannte Mastzell­erkrankung ist die Mastozytose. Aktuelle Publikationen weisen darauf hin, dass es noch weitere Mastzell­aktivitäts­störungen gibt, die mitunter sehr häufig sind. Umfassende Informationen gibt es unter https://mastzellaktivierung.info.

Histaminvergiftung

Schlussendlich ist noch die Histaminvergiftung von Abbau- und Freisetzungsstörungen abzugrenzen. Diese tritt auf, wenn zu viel Histamin im Darm aufgenommen wird (z. B. durch den Verzehr verdorbener Lebensmittel).

Weitere Reize für übermäßige Histaminfreisetzung

Die Histaminfreisetzung kann zusätzlich durch verschiedene Reize verstärkt sein. Psychosomatisch kann Histamin aus Mastzellen im peripheren Nervensystem freigesetzt werden. Grund hierfür ist meist eine emotionale Erregung durch Stress, Angst oder innere Unruhe wie Nervosität.

Je nach Veranlagung können auch chemische Reize als Trigger wirken. Dann kommt es durch sogenannte Liberatoren wie Lebensmittelzusatzstoffe, Medikamente oder Schadstoffe in der Luft zu einer gesteigerten Freisetzung des Botenstoffs.

Selbst enorme Hitze oder Kälte sowie starke körperliche Anstrengungen und mechanische Reize können bei bestimmten Patienten die Symptomatik auslösen oder verstärken.

Schlussendlich können selbst erworbene oder genetisch bedingte Veränderungen der Rezeptoren (veränderte Struktur, erhöhte Dichte) für Histamin­ ursächlich sein oder Symptome verstärken.

Symptome und assoziierte Erkrankungen

Histamin ist der wichtigste Botenstoff bei Abwehrreaktionen des Körpers und übt vielfältige Wirkungen im gesamten Körper aus. Bei allergischen Reaktionen beispielsweise binden Allergene auf der Oberfläche von Immunzellen sogenannte IgE-Antikörper, was zur Histaminausschüttung führt. Die Freisetzung von Histamin kann jedoch auch nicht-allergisch erfolgen (siehe Ursachen).

Kommt es zu einem Ungleichgewicht der Histaminbildung und des Histaminabbaus im Körper, sodass zu viel des biogenen Amins im Körper zirkuliert, treten mannigfaltige Symptome auf. Diese sind von Mensch zu Mensch mitunter sehr verschieden, was eine genaue Diagnose oft erschwert. Einige Menschen sind nur vorübergehend von einer Unverträglichkeit betroffen. Diese Faktoren erschweren eine verlässliche Aussage zur Häufigkeit.

 Histamn_Symtome

Erste Symptome treten meist 1 Stunde nach dem Verzehr histaminhaltiger Speisen und Getränke auf. Diese sind unspezifisch und sehr unterschiedlich ausgeprägt. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Kopfdruck, Nackenschmerzen
  • drückendes Gefühl in den Augen, Augenbrennen
  • Halsschmerzen, Tinnitus, Ohrensausen
  • Mundaphten, Zahn- und Kieferschmerzen
  • Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen


In seltenen Fällen kann es zum anaphylaktischen Schock kommen. Auch andere sind Organe betroffen:

  • Haut: z. B. Hautrötungen, Juckreiz, Quaddelbildung, Flush (Gesichtsrötung), Quinckeödem
  • Magen-Darm-Trakt: z. B. Durchfall, Magenkrämpfe, Blähungen, Übelkeit, Erbrechen
  • Herz-Kreislaufsystem: z. B. Herzrasen, Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen, Hitzegefühl
  • Atmung: z. B. rinnende Nase, Reizung der Nasenschleimhaut, Schleimhautschwellung, Niesen, Atembeschwerden, Asthma bronchiale
  • Zentralnervensystem: z. B. Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel, Schlafstörungen
  • Genitaltrakt: z. B. Dysmenorrhoe (Schmerzen während der Menstruation)


Zudem kann die übermäßige Histaminausschüttung bei verschiedenen Erkrankungen verstärkt sein.

So wurde eine erniedrigte Aktivität des für den Histaminabbau entscheidenden Enzyms HNMT im Lungengewebe bei Asthma bronchiale gefunden [Yan 2000]. Als gemeinsames Symptom tritt insbesondere Fließschnupfen auf. Asthmaanfälle können so durch eine Belastung mit Histamin ausgelöst werden.

Im weiblichen Genitaltrakt wird Histamin vor allem im Uterus und Ovar produziert. Frauen mit einer Histaminintoleranz leiden häufig unter zyklusabhängigen Kopfschmerzen sowie Dysmenorrhoe.

Auch Herzrhythmusstörungen können histaminbedingt sein [End 1995]. Insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollte auf eine Histaminintoleranz untersucht werden. Hauptauslöser sind häufig Rotweine, Bier und andere histaminhaltige alkoholische Getränke.

Zahlreiche Studien zeigen zudem einen Zusammenhang histaminvermittelter Reaktionen und der Anfallshäufigkeit sowie -stärke von Migränepatienten [Jan 2003]. Ähnliche Beobachtungen ergaben sich bei Multiple Sklerose– und Clusterkopfschmerz-Patienten [Fre 2004]. Interessanterweise trat eine verstärkte Symptomatik nach dem Verzehr histaminreicher Lebensmittel auf, während diese bei histaminfreier Diät bzw. dem Einsatz von Antihistaminika ausblieb. Dosisabhängig können sowohl bei Gesunden als auch bei Migränepatienten durch Histamin Kopfschmerzen ausgelöst werden.

Bei Reizdarmpatienten können sich unspezifische Nahrungsmittelintoleranzen, wie gegen Histamin, entwickeln [Wüt 2009]. Vermutet wird, dass bei Reizdarm die Fähigkeit zum Histaminabbau gestört ist.

Therapie: Ernährung, Medikamente und Lebensstil

Verschiedene Antihistaminika kommen bei allergischen Reaktionen zum Einsatz. Diese verhindern bzw. blockieren die Histaminfreisetzung. Antihistaminika besitzen jedoch mehr oder weniger stark ausgeprägte antiemetische, zentral dämpfende und anticholinerge Eigenschaften mit Folge von Müdigkeit, Benommenheit, trockenem Mund, Übelkeit und Verstopfung. Eine ausführliche Beschreibung der medikamentösen Therapie findet sich auf der Website der Schweizerischen Interessensgemeinschaft Histamin-Intoleranz.

Bei einer Histaminunverträglichkeit sollten Medikamente aber nur dann zum Einsatz kommen, wenn die Einhaltung einer histaminarmen Ernährung nicht möglich ist. Diese bleibt das therapeutische Mittel der Wahl.

Weitere Lebensstilmodifikationen wie regelmäßige Entspannungsübungen, eine möglichst schadstoffarme Umgebung oder das bewusste Meiden auslösender Reize im Alltag kann die Therapie unterstützen.

*Mit freundlicher Erlaubnis der Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (FET) e.V. 

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