Nocebo-Effekt: Wie wir uns krank denken

Während der Placebo-Effekt ein weitbekanntes Phänomen ist, wird dessen Gegenstück, der Nocebo-Effekt noch weitgehend stiefmütterlich behandelt und findet nur wenig Beachtung. Dabei scheinen gerade in der Praxis negative Suggestionen den Gesundheitszustand eines Menschen noch stärker zu beeinflussen als positive (1).

Analog zum Placebo-Effekt, beschreibt der Nocebo-Effekt das Phänomen, dass Menschen allein durch die Erwartung einer krankmachenden Wirkung entsprechende Beschwerden entwickeln. Lebensmittelallergiker, die zu starken Reaktionen neigen, berichten zum Beispiel des Öfteren, dass sie bereits beim Anblick kritischer Lebensmittel erste allergische Anzeichen verspüren. Manche Laktose-intolerante Patienten geben an, dass selbst winzige Mengen für sie unverträglich sind. Inwiefern die bakteriellen Abbauprodukte aus einer geringen Menge Milchzucker überhaupt spürbare Symptome hervorrufen können, ist jedoch fraglich. Wie sehr die pure Erwartungshaltung bei Patienten Beschwerden auslösen kann, zeigte unter anderem eine kleine Studie aus den 90ern. In dieser erhielten Allergiker in einer zufälligen Reihenfolge Injektionen mit dem für sie problematischen Allergen oder alternativ mit Kochsalzlösung. Erstaunlicherweise beklagte ein Viertel der Patienten auch nach der Kochsalzinjektion allergietypische Beschwerden und glaubte fest, das Allergen erhalten zu haben (2). Dass wir uns bildlich gesprochen krank denken können, ließ sich auch in der vielzitierten Framingham-Herz-Studie erkennen. Frauen, die sich zu Beginn selbst als Risikopatienten einstuften, erlitten tatsächlich viermal so häufig einen Myokardinfarkt oder einen plötzlichen Herzstillstand als andere Frauen – und zwar unabhängig von realen Risikofaktoren wie Blutdruck, erhöhten Blutfettwerten oder dem Rauchen (3).

Doch nicht nur die Erwartungshaltung des Patienten selbst bestimmt seinen Krankheitszustand. Wie sich in der Praxis immer wieder beobachten lässt, beeinflusst auch die Haltung des Therapeuten maßgeblich das Wohlbefinden seines Gegenübers. Oftmals ist ihnen gar nicht bewusst, wie sehr ihre Worte von den Patienten aufgefasst, interpretiert und wortwörtlich genommen werden. Viele Therapeuten verwenden im Patientengespräch oftmals Formulierungen, die vom Bewusstsein als negativ interpretiert werden und beim Patienten eine destruktive Suggestion auslösen. Sätze mit einem negativen Unterton („Wenn sie nicht abnehmen, bekommen sie womöglich einen Herzinfarkt.“), Verunsicherungen („Wir probieren mal, ob ihnen das hilft.“), aber auch Fokussierungen auf ein Symptom („Fühlen sie sich abgespannt?“) wecken beim Patienten Befürchtungen, die dem Behandlungserfolg entgegenwirken.

Beratungsgespräche, egal welcher Art und welchen Inhaltes, sollten dem Patienten daher möglichst positive Suggestionen vermitteln. So kann zum Beispiel die unterschiedliche Verträglichkeit von
Milchprodukten für einen Laktose-intoleranten Menschen negativ („Einige Betroffene vertragen auch keinen Käse“) oder auch positiv („Die meisten Betroffen haben keine Probleme mit Käse“) formuliert werden. Während die erste Formulierung den Patienten möglicherweise hemmt, laktosearme Milchprodukte auszutesten, gibt die zweite Zuversicht und macht Mut, potenziell verträgliche Lebensmittel zu probieren. Auch in der ärztlichen Praxis lässt sich beobachten, dass Patienten häufiger Nebenwirkungen auf Medikamente entwickeln, wenn diese in einem vorangegangenen Aufklärungsgespräch erläutert wurden. Für eine erfolgreiche Behandlung kann die Macht der Worte folglich von großem Nutzen sein. Beratungsgespräche sollten daher optimistisch und motivierend formuliert sein, Sicherheit vermitteln und dem Patienten ein Gefühl der Zuversicht geben.

Weitere Beispiele für positive Formulierungen:

  • „Mit jedem Kilo, das Sie verlieren, werden Sie sich deutlich fitter fühlen.“
  • „Meiner Erfahrung nach lassen sich Ihre Cholesterinwerte durch die Ernährung gut in den Griff bekommen.“
  • „Diese Lebensmittelgruppen sind gut geeignet für Sie.“
  • „In Maßen dürfen Sie sich gerne auch mal Süßes gönnen.“
  • „Diese Behandlungsoption konnte schon vielen helfen.“

Mit freundlicher Erlaubnis übernommen aus dem FET-Mitgliedernewsletter November 2014 > Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (FET) e.V.  www.fet-ev.eu 

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